Tourenbericht über die Ferienwanderung in Chamonix 2005    Wanderführer: Fréderic Daum

Bonjour Chamonix


…und so erreichen wir den über 1500 m hohen Schweizer Pass Col de la Forclaz im Wallis. Wir kamen vom Vevey am Genfer See, durchs Rhônetal – dem tiefsten Tal der Alpen – über  Martigny an vielen Kehren an dem Riesen-Weinberg vorbei – mit herrlichen Tiefblicken aufs fruchtbare Rhônetal. Hier zieht es nicht schlecht, wenn man im Gebirge ist, als wir aussteigen und zum nahe gelegenen Kiosk laufen. Die passende Wanderkarte hat Fréderic schnell gefunden: Chamonix – Massiv Du Mont Blanc Nr. 3630  mit dem wanderfreundlichen Maßstab 1 : 25000. Mittag ist schon vorüber –  „Also…wie wär´s mit einem Tässchen Kaffee – Ihr beiden Hübschen?“, fragt er uns. „Prima, dort drüben?“ So lassen wir uns dicht an der Wand – auf der sonnigen Westseite des Bergrestaurants nieder und bestellen Capuccino und Tee. Die Aussicht ist noch nicht überzeugend. Die grün-braunen Vorberge des größten Alpen-Massives bedecken oder verbergen mehr den „Monarchen“ hier auf der Nordseite mit seinen interessantesten Gipfeln und Höhen. Man muss noch ein Stück ins Tal fahren, um mehr zu sehen. Die Tische neben uns sind mäßig besetzt. Anschließend fährt uns Fréderic die engen Serpentinen durch die Village Trient, die kurz vor der französischen Grenze liegt. Gegenüber ein waldreicher steiler Hang mit dem Hochtal Trient und seinem Grenz-Dörfchen Finhaut (sozusagen das „obere  Ende  der Schweiz“). Es wurde von dem Glacier Trient in Jahrmillionen geformt, was man am Schluchteingang vielleicht  auch erahnen kann. Sie nennt sich „Georges du Trient“ und ist interessant zu begehen. Es existiert eine kurzweilige sehr sehenswerte drahtseilversicherte Holzkonstruktion in der Schlucht ab Vernayaz – eine Station ab Martigny. Die heutige, weit oben liegende Gletscherzunge wurde jahrelang für die Eisgewinnung im Brauereiwesen genutzt. Die gesägten Eisbarren glitten dabei über eine Rutsche aus einheimischen Baumstämmen nach „Ourtier“, das als Depot diente. Es wurde dann nach Bedarf nach Martigny ins Rhônetal befördert. Mit der Bahn ging´s dann nach Paris. Der Trientgletscher ist ein Musterbeispiel für einen Talgletscher, dessen gegenwärtige Ausdehnung 6,5 km² beträgt; der tiefste Punkt liegt momentan bei etwa 1800 Metern. Zwischen 1850 und 1952 zog sich der Gletscher um 1022 Meter zurück, hat sich aber seit 1960 wieder um etwa  4oo m vergrößert. Die Aktivität der Gletscherzunge ist etwas phasenverschoben nach Gefälle und Struktur des Eises. Sie hängt aber vor allem von den Sommertemperaturen und von den winterlichen Niederschlägen ab. An der Grenze selbst begegnen uns keine Auffälligkeiten. Wir passieren die Centrale de Châtelard Vallorcine, die die private Bahnlinie hier im Hochtal des Mont Blanc betreibt. Sie liegt an der Fernstrasse Genfer See, Martigny – Chamonix + Saint Gervais und führt direkt aus dem Kanton Wallis durch die aufregende Trient-Schlucht ins französische Hoch-Savoyen („Haute Savoie“). In einer lieblichen Talmulde liegt die oberste Siedlung Vallorcine, die sich über 2 Kilometer  nach Süden erstreckt. Nach einer leichten Linkskurve steigt die Strasse wieder leicht an und wir erreichen den Ortsteil Le Buet mit dem Hôtel du Buet – gegenüber dem Gare, dem „Bahnhof“ Buet gelegen, wo unsere Wanderfreunde von Mannheim und Hatten unkompliziert einen Tag zuvor per Bahn ankamen. Hier liegt auch der örtliche Campingplatz. Vom Monarchen sieht man hier noch nicht viel: die über 4000 m hohe „Aiguilles Verte“ mit ihrem Trabanten les Dru schauen schüchtern über den bewaldeten Aufschwung herüber. Als wir uns an der Rezeption des Hôtels anmelden, sind gerade  noch 2 Zimmer für uns reserviert. Sie offerieren ein 3-Bettzimmer sowie ein Einzelzimmer in der 2. Etage über dem Eingang an der Durchgangsstrasse. Wir Wanderinnen wollten eigentlich ein Einzelzimmer; nehmen notgedrungen das 3- Bettzimmer, damit unser Wanderführer Fréderic seine Ruhe vor uns hat. Wie verabredet treffen wir uns abends in der Lounge des Hôtel du Buet. Renate ist mit ihrem Bruder Michael am Vortag per Bundes- und Schweizerbahn gut angekommen, ebenso Gerhard von Hatten. Wir freuen uns auf die kommenden 11 Tage Wanderzeit.  Bei der Vorstellung im Kaminzimmer mit Aquarium und seltenen Fischen erläutert uns Fréderic unser geplantes Wanderprogramm. Er hat überwiegend Tageswanderungen, aber auch eine 3-tägige Hüttentour im Naturschutzgebiet der Aiguilles Rouges auf der Westseite des Mont Blanc-Massives geplant. Gegen 19.00 Uhr bittet man uns zu Tisch. Der Salon, ein geräumiger Speisesaal, ist nur halb gefüllt mit überwiegend Paaren und einer Familie. Einige Einzelreisende sind auch dabei. Eine junge kastanienbraune Schönheit  aus  Costa Rica bedient uns salopp. Es gibt eine dünne Kräuter-Erbsensuppe mit aufgeschnittenem Baguettes als Hors d´Ouvre. Fleischpaste oder vegetarisch als Hauptgang. Die Süßspeise als Dessert ist das Beste. Dann folgt die erste  Nacht im Hôtel. Ingeborg hat viel über ihre Biographie, Haus und Hof zu erzählen. Wer kann da schlafen? Es gibt viele eigentümliche Eigengeräusche im Haus, das durch den Straßenverkehr moduliert wird.   

Sonntagsbummel    Der erste Alm-Bummel führt uns am Sonntag zu dem benachbarten Ortsteil Le Couleray, der klimatisch günstig an einem leichten Südhang liegt. Wir haben nur leichtes Gepäck dabei, da uns eine stabile Hochdrucklage begünstigt bei dem Höhensparziergang. Südliche Pflanzen blühen prächtig in den Vorgärten und an den Wegrändern. Durch einen zunächst lichten Bergwald, auf dem uns zwei Jeeps überholen, geht es dann auf die mit Kühen übersäte hochgelegene Alm de Loriaz, wo unser Stützpunkt „Charlet de Loriaz“ auf 2020 m Höhe liegt. Es erfreut uns mit einen grandiosen Panorama der nördlichen Mont Blanc Gruppe mit seinen eindrucksvollen Gletschern: Clacier des Grands, ...du Tour, ...D´Argentiere, der nur sichelförmig an der schmalen Kante, wo der Durchbruch zu Tal geht, aufleuchtet. Darüber die prächtigen Drei- und Viertausender: Aiguille du Chardonnet, Aiguille Verte mit seinen Hängegletschern und Trabant les Dru. Auf der Südwestseite bäumt sich das Massiv des Aiguilles Rouges auf mit seinem steilen, unbegehbaren Nordabfall, auf der Karte bezeichnet mit „Reserve Naturelle des Aiguilles  Rouges“. Hinter uns der steile, aber begehbare 3006 m hohe Aussichtgipfel Mont Buet. Er bietet uns eine Variante bei der Nächtigung im Refuge de la Piétro á Bérard, das am Talende des Vallée de Bérard liegt. Es ist von unserem Hôtel du Buet in etwa zwei Gehstunden zu erreichen, wie man uns sagt.  Wir gönnen uns ein ausgiebiges Päuschen oberhalb der Almhütte; während etliche Wandergruppen vorbeiziehen – meist in Richtung Alm Barberine  zum Lac  d´Emosson, dem großen Speicher an der Staatsgrenze. Zum nahen Col sind es noch 2 Gehstunden, 645 Höhenmeter, die Fréderic für den ersten Tag zu viel sind, während ich anderes darüber denke. Er  wendet sich bald nach der Rast mit uns nach unten, einem alternativen Waldweg ins Tal. Als wir aus dem unteren Bergwald kommen, liegt das Zentrum Vallorcines schon greifbar vor uns. Die hübsche  Alpinbahn pendelt mit ihren Signalen in regelmäßigen Intervallen in beiden Richtungen. Über einem flachen Abschnitt erreichen wir den Ortsteil le Morzey, der wieder in unserer Höhenlage (1260 m) liegt. Wir schlendern an einer unscheinbaren Gîte d´Etape – mit offener Tür vorbei. Neugierig tritt Michael mit Fréderic ein. Es ist ein mittelgroßen Raum mit einem langen, breiten Tisch, sowie einer Kochecke mit Schränken, Geschirr und Töpfen sowie Küchenutensilien. Der Durst macht sich unverzüglich bemerkbar beim Anblick der vielen Getränkeflaschen auf dem Regal. Gerhard und Michael öffnen ihre  Rücksäcke mit ihrer „Brotzeit“. „Lasst uns ein wenig stärken und etwas trinken“ muntert Fréderic uns Mitwanderer dabei auf. Auf langen Bänken lassen wir uns nieder und besorgen uns ein wenig Baguette – Brotscheiben, als ein junger Marokkaner eintritt. „Que est se que vous desirée?“, was er uns besorgen könne, fragt er. Wir bestellen Wasser, Limo und Bier, was unserem Durst jetzt gut tut. Danach öffnet er eine Flasche Rotwein, die nun mit Vergnügen von allen verkostet wird. Er zeigt uns die Unterkunftsmöglichkeiten in den Nachbarräumen und im Obergeschoss. Ingeborg und Ulli testen dabei die hervorragend gepolsterte Bettcouch. Der Preis klingt sehr interessant für uns. Wir wollen die 3 Mindesttage jedoch erst einmal wie verabredet in unserem Hôtel bleiben. Ende der Woche wollen wir uns wieder melden. Nach einigen Passfotos zahlen und verabschieden wir uns und marschieren weiter in unser angestammtes Quartier. Im Salon erwartet uns sodann ein gedeckter Tisch. Eine  dünne Kräutererbsensuppe eröffnet den Reigen des 3-teiligen Menus ...    

Balcon Nord    Am nächsten Tag planen wir mit dem „Express-Bähnchen zurückzufahren zum nächsten Bahnhof Vallorcine-Zentrum, um mit dem Lift flott zum Col de Balme zu kommen. Gerhard nimmt den Zug, da Fréderic nur 4 „Begleit-Personen in seiner grünen Minna mitnehmen kann. Am Gare in Vallorcine treffen wir uns wieder. Als wir jedoch nach wenigen Metern die Talstation des Liftes erreichen, wo gearbeitet wird, erfahren wir, dass keine Personen befördert werden. Es werden heuer Waldarbeiten durchgeführt, so dass der Lift ausfällt. So müssen wir etwas mühsamer als geplant den Wanderweg durch den hohen Bergwald antreten. Er führt zunächst auf der Nordseite zum 1940 m hohen Übergang, Col de Possettes, wofür wir knapp 3 Stunden brauchen. Hinter dem Col gönnen wir uns eine ausgiebige Rast auf der hügeligen sonnigen Hochalm – oberhalb Le Tour. Die Aussicht verbessert sich; die zahlreichen an der breiten Kante abbrechenden Séracas des Glacier du Tour leuchten gleißend zu uns herüber. Die linke lange Moräne bietet uns Wanderern einen exponierten Fußweg zum Refuge Albert Premiere. Durchs Glas kann man Bergsteiger erkennen, die der Hütte zustreben. Fréderic wollte uns zum Col de Balme mit seinem historischen Berghaus führen. Dafür müssten jedoch noch 200 Höhenmeter  bewältigt werden. Um die Gruppe  stetig  aufzubauen, gehen wir gleich zur nahen, wenig  höheren  felsigen Aussichtskanzel „l´Aguillette des Posettes“. Hier ist ein regelrechter Versammlungspunkt auf knapp 2200 m Höhe. Mehrsprachige Gruppen geben sich auf dem TMB „Balkon Nord“ ein Stelldichein. Die Aussicht auf das Mont Blanc Massiv mit dem Hauptgipfel ist auch exzellent. Die glänzende Gipfelparade wird ergänzt mit den schneidigen Nachbarn Aquilles de Gutier – Mont Mandit und Mt. Maudit und Mt. Blanc du Taculles. Blühende Pflanzen bieten uns jetzt ein Prachtbild. Nach der Rast bewegen wir uns auf dem steinreichen Balkonweg – Les Frettes –  wie auf eine Schneide – abwärts in Richtung Tour und Argentiére. Es ist ein Erlebnis: rechts unten der Blick auf Vallorcine mit seinem Hotel Buet in der Mitte – links unten das aufstrebende Dörfchen Tour, was auch zu Chamonix gehört – gleich einer Vogelperspektive. Mutige bunte Drachenflieger über den  Aiguilles Rouges Felsen komplettieren das Raum-Erlebnis. Wir kommen durch die Wurzel- in die Waldzone, wo es auffallend blüht. Die Natur glänzt mit ihrer unbeschreiblichen Vielfalt. Eine Abzweigung oberhalb Montroc, einem Nachbarort von Tour, irritiert uns: Fred geht – wie angegeben und  akustisch gewarnt nach links – während Ingeborg darauf besteht, dass unser Weg rechts weiterläuft. Nach weiteren 150 Metern sind jedoch weder Bahnhof noch Gleise in Sicht. Fred schaut sich mit mir den fraglichen Wegweiser aus Holz noch einmal genau an. Die Linkskurve ist richtig! Wir rufen Ingeborg mehrmals und folgen Fred auf dem schmalen Pfad zum Gare (Bahnhof). Der Weg zieht sich jedoch so in die Länge, dass wieder Zweifel aufkommen. Da niemand ansprechbar ist, kehren wir wieder um.... Da  kommt uns Ingeborg im Eilschritt hastig entgegen. Sie habe nichts gefunden, meint aber, dass der gesuchte  Bahnhof Montroc mehr in unserer eingeschlagenen Richtung  liegen müsse. Da wir die typischen Bahngeräusche hören, wenden wir nochmals und eilen im Laufschritt den Weg wieder zurück und finden den Bahnhof. Gerade als wir das Gleis überqueren, nähert sich der Zug. Wir begrüßen ihn spontan mit Winken und Beifall. Gleich danach geht es durch einen langen Tunnel zum oberen Teil des Tales nach Vallorcine. Als wir uns später im Salon treffen, herrscht reges Leben: neue Gäste sind angekommen. Als ersten Gang des Menus gibt es wieder die bewährte dünne Erbsensuppe mit gerösteten Baguettes-Stückchen. Es ist zum  Heulen. ... Wer ist eigentlich der Chef de la quisine? So kann man also auch in Frankreich günstig kochen! ...   

Glacier Árgentière    Unser neuer Erlebnistag im Gebirge. Wir nähern uns Chamonix per Schiene und fahren talab nach Argentière, wo der bekannte Gletscher zu erwandern ist. Nach einer kurzen Suchrunde zum Fußgängersteg kommen wir schließlich an die Kasse der Kabinenbahn (Téléphérique) zum 1973 m hohen Croix de Lognan. Auf der Karte steht  „Gare“ – ein echter „Gebirgsbahnhof“. Die zweite Sektion führt in die Gletscherregion des 3293 m hohen Col de Grand Montets. Er liegt zwar einiges  tiefer als die Aiguilles Verte, die mit 4122 ein ausgewachsener, prächtiger Viertausender ist. Aber von uns aus schaut es schon sehr hoch aus. Direkt daneben die bekannte Felsnadel Les Drus, an der sich auch Walter Bonatti abrackerte beim Witterungsumschwung mit Schnee und Eis. Zur besseren Anpassung an das alpine Wandern nehmen wir nur die Retourkarte. So steigen wir mit kleinem Gepäck etwa 750 m bis an den Gletscherrand – genauer bis zu seinem untersten Abbruch. Dabei blicken wir hautnah auf die zerborstenen Türme und aufgerissenen Spalten hinab oder hinüber. Ein Hubschrauber zieht über uns zu der im oberen Gletscherbecken liegenden Schutzhütte Refuge d´Argentiére. Auf der westlichen zerklüfteten Moräne windet sich ein Steiglein in unendlichen Serpentinen nach oben zum breiten Gletscherrand. Zwei junge Alpinisten streben an uns vorbei. Wir mustern den Steilabbruch sowie die gegenüberliegenden Aiguilles Rouges, den hohen Brévent suchend. Drei Mountainbiker wenden kurz vor dem Abbruch und stürzen sich an der Grasnarbe in die Tiefe. Wir wollen´s heuer nicht so alpin und kehren um, als eine bunte Gruppe am oberen Bildrand auftaucht. Auf der Terrasse der Mittelstation bringen uns ein kühles Bier und Vino Rouge wieder ins Gleichgewicht. Von hier gibt es auch einen Balkonweg, Balcon Nord, der in südlicher Richtung nach Chamonix führt. Wir besprechen die bescheidene Situation in unserem Hôtel. Änderungen liegen in der Luft, als wir die Möglichkeiten prüfen nach Argentière überzuwechseln. Wir sind mit dem Angebot des Standquartiers nicht zufrieden. Das Menu ist bescheiden, der Verkehr an der Strasse zu laut. So beschließen wir nahezu einstimmig, nach dem Frühstück am nächsten Tag abzubrechen. Als Alternative bietet sich das Hôtel de Savoie in der 121 Rue Charlet Straton an, was wir ausgiebig besichtigen. Hier gibt es nette  bequeme Zimmer mit französischen  Betten aber nur einen Frühstückraum im fensterlosen Souterrain, was uns aber weiter nicht sonderlich stört, da wir nur kurzzeitig frühstücken. Allerdings liegt das Hôtel auch an der Durchgangsstrasse in Bahnhofsnähe.    

Petite  Balcon Nord   ...und  so geschieht es, dass wir gleich nach dem Petit  déjourner unsere sieben Sachen packen, zahlen und per Bahn 2 Stationen bzw. Pkw nach Argentière traversieren. Ein Parkplatz liegt neben dem Bahnhof. Ein benachbarter eingeschossigen Holzbau  mit einer Kaffee- und Getränkebar, das zur gleichen Hotellerie gehört, ergänzt das Hôtel de Savoi. Die Leitung besteht aus einem 3-köpfigem Team aus USA, England + Frankreich. Der englisch sprechende Franzose ist ein freundlicher hilfsbereiter Monsieur, der uns zu seinem Vorteil berät. Der nur englisch sprechende  Kassierer ist ein kompromissloser geldgeiler Cowboy, der mit diversen Bargeldbündeln in der Tasche seinen multikulturellen Beitrag optimieren will. Nachmittags tummeln sich hier die auswärtigen Gäste. Weiterhin betreiben sie in knapp 1 km Entfernung am westlichen Ortsrand ein weiteres Gästehaus (Gîte Etape) mit Geschossbetten, sowie einer preiswerten Kantine im Untergeschoss. Diese wird auch von den Angelsachsen + Holländern gern aufgesucht. Wir speisen auch einige Male dort und lernen dabei einen Kletterer kennen, der vom Mattertal hierüber gewechselt ist. Es gibt hier interessantere Menüs mit frischen Salaten und prima Desserts. Die  Drinks nehmen wir an verschiedenen Gastro-Points im Ort ein, wo es uns einfach nach dem Essen hinzieht – manchmal auch zu einer abwechslungsreichen schmackhaften Pizza. So sind wir im neuen Quartier auch näher an Chamonix – Mont Blanc. Die Folge ist ein lockerer Spaziergang auf dem „Petit Balcon Nord“ zu diesem zentralen Ort in dem Tal, wo es am Waldrand über hügelige Wege auch ohne große Höhenunterschiede über le Lavancher an der rauschenden Árve durch den schluchtartigen les Bois an den Vorgärten und Grillparks vorbei in das Zentrum geht. Besichtigungsmöglichkeiten gibt es zuhauf in der Fußgängerzone – wo das alpine Museum mit einer schönen Bilder- und Ausrüstungsgalerie der Entdecker und Erstbesteiger aufwartet, ein Kino im Sportviertel. Es gibt uns beeindruckende Einblicke in die frühere Landschaft, landwirtschaftliche  Nutzung und  Entwicklung. Das vormalige  bäuerliche Leben war sehr hart, weil alles mit der Hand gemacht werden musste. Es gab noch keine Maschinen. Auf alten Darstellungen im Alpinmuseum sehen wir, dass vor 200 Jahren der Glacier Bossons beeindruckend mächtig ins Tal drückte mit seinen hohen Eistürmen. Er war bis in die flache Zone – fast ein Hindernis für die Erschließung und Zugang zu Chamonix. Es wird von einem spektakulären Stein- und Eisbruch in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts gesprochen, wobei es viele Zerstörungen und Verletzte gab. Die vielen Gletscher waren und sind auch heute noch ein Risiko, was neuerdings im Eiswasser des Mer de Glace genauer untersucht wird. Man entdeckte vor kurzem eine ungewöhnliche Wasserkammer im Mer de Glace. Nach dieser Runde, vorbei am bronzenen Denkmal der Erstbesteiger Saussure und Balmat, der so schön in Richtung des Hauptgipfels zeigt. Es gibt einen Fußweg ab Bossons über die das Charlet des Pyramides zur Jonction, wo die Gite de Balmat liegt, die die Erstbesteiger am Ende des ersten Tages als Nächtigungsplatz nahmen. Diese wollen wir heuer auch begehen bis zum gewaltigen Gletscherstrom.    Chamonix ist nach Ansicht vieler Bergbegeisterte das alpine Mekka auf der Welt, jedenfalls Europa. Dies wurde schon früh von den Engländern entdeckt. So verbrachte der englische Dichter Georg Byron den Sommer 1816 in den französischen-savoyer Alpen. Zuvor war es schon Richard Porocke mit Freunden, der Anfang Juni 1741 nach Chamonix kam, um als erster die Gletscher zu betreten. Ein Geistlicher kam ihnen damals entgegen, um sie von ihrer Torheit, den Mont Blanc zu besteigen, abzubringen. Dorfbewohner erzählten ihnen im Ort Geschichten über Hexen, die über die Gletscher kamen, um Streiche mit ihnen zu spielen und zur Musik zu tanzen. Sie erreichten schließlich am Folgetag nach 5 Stunden einen hochgelegenen Vorgipfel und tranken verdünnten Wein. 1765 war das Pfarrhaus in Chamonix die einzige Unterkunft für Gäste. 1785 – nur 20 Jahre später – gab es bereits 3 große Gasthäuser, die 1500 Touristen versorgen konnten, die sich die Gletscher ansehen wollten. Auch der Dichter und Naturforscher Johann Wolfgang v. Goethe machte sich auf seiner Schweizreise 1779 auf den Weg nach Chamonix, um das Mer de Glace zu betreten. Dabei machte er „einige Hundert Schritte auf den wogigen Kristallklippen herum“, bevor er wieder festen Boden betrat. Er kletterte hinauf zu dem Felsvorsprung Montenvers, wo man auch heute noch den besten Blick auf das Mer de Glace hat. Dort traf er einen Engländer namens Blaire mit seiner „geräumigen Hütte an einen schicklichern Ort“. „Was für eine Hingabe an dieses  Schauspiel aus Eis!“ notierte er in sein Tagebuch. Dies können auch die „Odenwälder“ bestätigen!    Es war eine  aufregende  Geschichte, die bereits 1786 – also vor den großen „Ereignissen von 1789 in Paris“ durchgeführte  Erstbesteigung. Es waren der Chamonixer Michel Gabriel Paccard, der mit seinem Partner Jaques Balmat auf der legendären Route, der Felsrippe zwischen Glacier des Bossons und Tacunnaz – Gletscher den Verzweigungspunkt La Jonktion – überschritt sowie über den Glacier les Grand Mulets – den 4808 m hohen Hauptgipfel zum ersten Mal erreichte. Schon ein Jahr später wiederholte Jaques Balmat mit seinem Landsmann Saussure und dem Engländer Mark Beaufoy den Gipfelerfolg. Dieser Aufstiegsweg wird heute nur noch selten gemacht. Die moderne Anstiegs-Route führt über die 3817 m hohe Refuge Aiguille du Goûtier, die im Juli und August total überlaufen ist, auf den langen Gipfelgrad. In der Folge bereisten viele Engländer das Gebiet Savoyen und die benachbarte Schweiz. Die Gletscher fanden ihr besonderes  Interesse. Seit dieser Zeit fanden die französischen alpinen Fachausdrücke direkten  Eingang in die Englische Umgangssprache.   

Hüttentour    Heute satteln wir unsere gut gepackten Tourensäcke, unser erwarteter Hüttentag ist da! Die Witterung viel versprechend nach den abgezogenen Regenschauern in der Nacht. Wir räumen unsere Zimmer, besorgen uns Getränke und Proviant und nehmen Abschied auf drei Tage bis Samstag. Von Argentiére führt ein schmaler Steig direkt in den nordwestlichen Bergwald, der uns in zunächst flachen Serpentinen höher in den Naturpark Aiguilles Rouges bringt. Bald ist die Baumgrenze erreicht und wir sehen die leuchtende Gipfelparade von Aiguilles de Goûtier, Dôme de Goutier, Mont  Maudit, Mont Blanc du Tacul, Aiguille  de  Midi – last not  least –  die wilden Aiguilles de  Chamonix. Es ist eine Pracht, wie sie sich aus dem leichten Morgendunst herausarbeiten. An der Abzweigung Charlet de Cheréserys kreuzen wir den TMB, der hier gleichzeitig als Grand Balcon Sud ausgeschildert ist. Er führt vom Charlet de la Fléglére über Tre le Champ nach le Tour. Hier tummeln sich naturgemäß viele Wandergruppen. Die prächtige Aussicht lädt uns zu einer kurzen Rast ein. Danach geht´s ein Stück auf dem TMB zur Abzweigung an den Lacs des Chéserve, die malerisch unterhalb den Felsgipfeln der Les Aiguilles Rouges liegen. Unser Etappenziel Charlet du Lac Blanc kommt in Sicht, noch ein See mit wunderschönen Gletscher-Spiegelungen – ein vereinsamter Pfad, der über kurzweilige Felsgruppen führt zur 2360 m hohe Hütte – unser Tagesziel. Es ist ein neu erbautes massives Gebäude mit viel Holz im Schlaftrakt, das wenige Meter oberhalb des Sees Lac Blanc liegt. Das alte, direkt am See gelegen, wurde von einer Lawine schwer beschädigt. Michael und Renate sind mit ausdauernden Schritten als erste da; Fréderic bewegt sich auf einer Nebentrasse und bildet das Schlusslicht – sein Rucksack sieht auch sehr schwer aus! Was hat er nur alles dabei? Die Sonne hat nun den Zenit überschritten und versucht mit großer Kraft die letzten Wolkengeschwader zu vertreiben. Sie brennt jetzt intensiv auf unserer Haut. Renate  findet mit Ingeborg einen passenden Tisch, wo wir uns windgeschützt alle platzieren können. Eine junge Französin bedient uns. Wir nehmen zuerst nur Getränke oder Potage – eine Gemüsesuppe. Sie mundet jetzt sehr gut. Wir fühlen uns gleich besser nach dieser Verköstigung. Zur Belegung des vorgemerkten Quartiers müssen wir noch ein wenig warten, bis der Hauptstoß auf der Sonnenterrasse bedient und abkassiert ist. Danach zeigt man uns die hiesigen Wasch- und Duschmöglichkeiten – 2 kleine Becken vor den Toilettenkabinen für die ganze Etage!    Fréderic hat noch nicht genug gearbeitet und steigt mit seiner Camera weiter hinauf über die Felsen des Lac Blanc. Dieser besteht aus einem oberen und unteren Teil. Zwischen beiden befinden sich kleinere Felsen – quasi eine Furt, die für Geschickte kein Hindernis für eine Überschreitung darstellt. Der Pfad nach oben ist durch kleine Steinmandeln markiert und führt auf einer alten Moräne aufwärts zum 2780 m hohen Col de Belvedere oder Col des Darts auf der Westseite. Dazwischen liegt ein relativ flaches – aber raues Firnfeld – der Glacier des Dards, ein kleiner Rest eines ehemaligen beeindruckenden Gletschers. Nach einem  300 m Aufstieg, bei der die Aussicht auf das gegenüberliegende Mér de Glace sowie den hellen Argéntiere-Gletscher immer günstiger wird, verstärken sich die wässrigen Wolkenbänder und lassen die hohen Gipfel verschwinden. Es ist wie auf einer hohen Schaubühne. Der Vordergrund und der Himmel ist verschattet oder schwarz, so dass die Hütte von hier versteckt und unscheinbar klein – kaum erkennbar ist. Da die Mahlzeiten um 19.00 h angekündigt wurden, muss Fréderic umkehren. Unterhalb der Moräne nimmt er die orographisch rechte Seite, die unmittelbar an die robusten –  nahezu unüberschreitbaren glatten Felsen des Lac Blanc führen. Aber es macht Spaß die Felsen zu beklettern und zu überturnen. Ein Sprung über den Mittelsteg zwischen beiden Seen und er ist wieder zurück am Charlet du Lac Blanc. Hier gibt es jetzt ein vortreffliches  3-gängiges Menu, was wir mit viel Vino und Bier genießen. Die Tischnachbarn, Wanderer in unserem Alter, kommen aus dem Elsass, eine Wanderin war auch schon in Deutschland, hat aber die Sprache wieder verlernt. Die Hüttenbelegung ist nahezu ausgeschöpft, im Lager kommen wir so schnell nicht zur Ruhe, da zwei exotische Wanderer in unsere Damenlounge eindringen und sich so richtig breit machen! „Meine erste alpine Hüttennacht und auch das noch...“, murmelt Renate erwartungsfroh. Sie schläft mit mir nach mehreren vergeblichen Anläufen ein.   

Réservé  Naturelle  Passy    Unruhig beginnt unser Morgen. Obwohl das große Gepäck im Vorraum untergebracht werden musste, raschelt es an verschiedenen Stellen. Es tippelt über den Flur zur Treppe. Türen gehen auf und zu. Die Hütte lebt, sagt man in den Fachkreisen. Wir erheben uns – ein neuer Tag will uns fordern! Nach dem Petite déjourner im übervollen Salle á manger packen wir unsere Tourensäcke im dichtgedrängten Lager. Beim Abstieg sind wir dann bald wieder unter uns und genießen die morgendliche Hochgebirgslandschaft im Chamonixtal. Kurz vor dem Charlet de la Fléglére erreichen wir den breiten TMB. Heuer ist er nicht so dicht bevölkert wie im nächsten Monat – dem Hauptferienmonat. Wir unterlaufen das Charlet, das auch Mittelstation für den Lift ist und erreichen wieder die Waldgrenze. Der „Balkonweg“ gewinnt aber im  weiteren wieder Aussicht und pendelt unterhalb der Aiguilles Rouges an jeder Felsrippe vorbei. Plötzlich erreichen wir ein Schild mit dem Zeichen „Explosionsgefahr“. Die Passage ist gesperrt wegen  Sprengungen! Wie das auf dem wichtigen Hauptwanderweg rund um den Mont Blanc? Wir sichten zwei rot gekleidete Männer oberhalb von uns, die sich mit den Spreng-Vorbereitungen zu befassen scheinen. Jetzt aber laut rufen und Zeichen geben!  Wir winken und traben zügig durch die gefährdete Zone. Schließlich können wir wieder unseren normalen Rhythmus gehen und ziehen weiter. Man muss ja mächtig aufpassen! Wanderfreunde kommen uns entgegen, die wir auf die drohende Gefahr aufmerksam machen. Wir erreichen eine sehr breite Schneise – eine Skiabfahrt und nehmen die Gelegenheit zur einer kurzen Brotzeit. Eine Holzhütte hat mehr versprochen als gehalten – sie ist nur für den Winterbetrieb für das Personal geöffnet. So stehen wir unter dem letzten Pylon eines Sesselliftes, der uns gegen den einsetzenden Nieselregen nur mäßig schützen kann. Nach dieser Stärkung geht es zügig weiter nach der Wegsuche – erst abwärts und dann auf einem breiteren Almweg wieder in die Höhe. Bei Planpraz – die Mittelstation zum „Brevent“ – sehen wir schon von weitem eine Versorgungsmöglichkeit mit warmen Getränken. Als wir sie erreichen, ist diese schon geschlossen – die Touristen lassen sich gleich aus dem Tal zur Bergstation bringen, wo es eine hervorragende Aussicht auf das gesamte Mont Blanc Massiv gibt! So nehmen wir den langen Rampenweg zum 2368 m hohen Col de Brevent. Er liegt in einem diesigen felsigen Einschnitt, wo die Aussicht gänzlich verschwindet. Auf der Westseite baut sich der Gipfelbereich auf. Aber nun kommt ein ganz toller Rastplatz mit dreiseitigem steilem Felsabbruch oberhalb oder mit Tiefblick in das total grüne, eingeschnittene Vallée de la Diosaz. Die Landschaft hat sich hier enorm verändert! Wir sehen keinen Schnee und Eis – alles grün wie im Mittelgebirge – nur eine schmale, unwegsame Schlucht mit steilen Felsflanken im oberen Bereich beherrscht die Sicht – weit drüben, im Norden –  die Alm, wo unsere nächste Hütte liegen soll. Nun geht´s in kurzweiligen endlosen Serpentinen abwärts bis in die dichte Vegetationszone. Kurzweilige Wasserläufe beleben das Bild und helfen uns beim Wiederauffüllen unserer Trinkflaschen. Steine und Felsen werden immer seltener – bis wir im Jungwald zur massiven Steinbrücke –  der 1097 m hoch gelegenen Pont d´Árléve –  kommen. Unter uns tost das Wildwasser, das vom  3006 m hohen Mont Buet und dem Übergang ins  Vallorcine – Col de Salenton – kommt. Es versucht die Fundamente frei zu spülen! Aber es sind sehr stabile, jahrtausende alte massiver Felspfeiler, der auf beiden Ufern gewachsen ist. Danach kommt ein langer Rampenweg teils durch Dickicht, teils durch Jungwald hinauf zu der grünen wasserreichen Alm. Es häufen sich Quellen und Wasserlachen, die nicht zu umgehen sind und das wilde Gelände widerspiegeln. Eine Abzweigung führt zum idyllischen Lac de Pomenaz. Eine lange Kurve und wir erreichen in größeren Abständen das 2002 m hohe Refuge Col d´Anterne. Es sieht von weitem wie ein großer Bauernhof aus. Aber er ist  sauber mit prima Duschmöglichkeiten und einem großen aussichtsreichen Salon. Die hohen Mont-Blanc-Gipfel grüßen zu uns  herüber und leuchten rötlich auf beim gemeinsamen Abendessen mit den anderen Gruppen. Es gibt eine  prima Pasta + Dessert... mit Nachschlag und  etwas  Geduld – bis alle satt sind. Hier ist es dann nicht schwer, einzuschlafen mit den alpinen Bettgenossen aus Frankreich und England.   

Höhenweg + Abstieg  ins Tal    Ein sonnenreicher Bergsommertag lässt uns nicht lange verweilen. Unser Weg führt uns zunächst in luftigeren Höhen entlang einer Kalkzone. Über einem leichten Aufschwung begegnen wir dem malerischen, abgelegenen Bergsee „Lac de Pomenaz“, der mit einer wunderbaren, lebendigen  Flora an seinem Ufer aufwartet. Gegenüber glänzen die steilen Kalkriffe der „Rocher de Fiz“ im Morgenlicht – wie eine uneinnehmbare  riesige Festungsmauer über einer fast immergrünen belebten und  geröllreichen Hoch-Alm. Doch es gibt dort einen aparten Durchgang für Wanderer zum Desert de Platé – einer vegetationsfreien Zone mitten im Schiefer- und  Gneisgebiet. Sie liegt unterhalb der Alm Plaine  Joux, die wir gut ausmachen können. Wir wandern nun über ein hügeliges Gelände an gelb und rot blühenden Almen vorbei zu einer  kleinen Sommerresidenz mit Schafen und Gemsen. Hier können Michael und Fréderic ihre Wasserflaschen nach Hinweis der Bewohner nachtanken. Bei einer kurzweiligen Rast auf einem Hügel besuchen uns hungrige Dohlen. Nun geht es abwärts in Richtung Servoz. Durch den dichten Bergwald erreichen wir wieder die Talsohle. Als wir am Waldausgang den ersten Weiler erreichen, rauscht es schon prächtig. Vorbei an alten Steinhäusern mit blühenden und duftenden Vorgärten und Hainen erreichen wir schließlich den Talort Servoz. Wir haben erfahren, dass am Ortsrand eine rassige Schlucht „Gorges de la Diosaz“ liegt. Sie soll sehr sehenswert sein – wie der Prospekt mit seinen Fotos nachweist. Eine massive Brücke und ein Parkweg entlang dem noch wilden Gebirgsbach bringen uns zum Schluchteingang. Hier gibt es viele Fotos, Andenken, Eis, Tee & Kaffee. Die meisten  haben keine Lust, ins Ungewisse aufzusteigen und beauftragen Fréderic, dies stellvertretend für die gesamte Gruppe zu  tun – eine Stellvertretertour sozusagen. Er will später darüber ausführlich berichten. Während wir unseren Kaffee trinken, steigt er über etliche Wurzeln und Brücken zum Eingang in die wasserreiche Schlucht. Das Wildwasser rauscht und vertieft die Jahrtausendealte  Erosion. Spuren einer abgerutschten stählernen Fußgängerbrücke begegnen ihm. Die Begehmöglichkeit der über kühne am Felsen befestigte luftige Stege und Leitern besteht seit gut 100 Jahren. Einem Pariser Naturforscher ist ein Andenken  gewidmet. Steile Treppen führen ihn immer höher, bis zu einem tonnenschweren Riesenklotz zwischen zwei engen Felswänden, der 40 m über dem Wasser den Wendepunkt bildet. Er kann ihn begehen und die dramatische Situation fotografieren. Wie lange wird er halten? Weitere defekte, angerostete Felsbefestigungen zeigen die frühere Wegführung bis zu einem mächtigen Wasserfall. Da fällt ihm ein Mann mit Schlapphut und dunkelgrünen Kniebundhosen auf, der scheinbar gar nicht in diese Gegend zu passen scheint. Er trägt einen Filzhut mit Zierband. Beim Begrüßen, stellt er sich als Landsmann heraus, der sich im Herzogtum Savoyen gut auskennt. Er sei schon oft hier gewesen und gehe gern in die charakteristischen Alpin-Schluchten. Meistens mit Partner, aber heuer wandere er allein, „auf volles  Risiko“, wie er sich ausdrückt. Er spricht von den interessantesten Schluchten und Wasserfällen, die sich hier in „Haute Savoie“, sowie im Kanton Wallis ungewöhnlich häuften. „Ja, die Trient Schlucht bei Vernayaz sowie die 150 Meter tiefe Durant Schlucht (Georges du Durand) bei Marecottes mit 14  Kaskaden sind beachtlich und unbedingt sehenswert. Als ich dort war, gab es ein fürchterliches Gewitter, bei dem ich total durchnässt wurde. Die  Gischt des überborden Wassers schlug mir an einer Stelle so krass ins Gesicht, dass ich den Rundgang abbrechen musste. Ich wurde gänzlich durchnässt, verlies die Schlucht und suchte mein Quartier auf“. Weiter findet er die „Geroges du Fier bei Lovagny, sowie die „Gorges du Pont du Diable“ bei Le Jotty am Genfer See besonders beeindruckend. Bei Seythenex gebe es sogar einen unterirdischen Wasserfall wie bei St. Martin in Wallis, meint er. Hier – oberhalb Servoz – halte er sich besonders gern auf. In den umliegenden Naturparks, wie hier im „Reserve Naturelle de Carlavayron“, der auf der Nordostseite des Brevent angesiedelt ist, gebe es nur ein kurzes gangbares Wegstück für Wanderer, oben bei der „Aiguillettes des Houches“, nahe der Unterkunft  Refuge de Bel Lachat – in Verlängerung des Brévent Grates. Auf der kalten Nordseite gebe es auch einen besonderen Steig zu dem Aussichtpunkt „le Vieux  Cheppy“. Diesen will er ihm zeigen. Es klingt sehr geheimnisvoll. Er weist ihm einen Weg und geht voraus. Der gangbare Weg hört jedoch auf. Nur wenige Stahlstifte in der senkrechten Felswand und eine verrostete Leiter bilden nun ihren Weg. Er weist auf ein schmales Band hin, was man von untern nicht einsehen kann. Über ein Drahtseil schwingt er sich vor Fréderic auf und steigt in eine felsige  Rinne. „Wir müssen uns hier gut sichern“, sagt er und bindet ihn an sein Seil, das er aus einer kaum sichtbaren Nische hervorholt. „Ich heiße Jordan“, sagt er zu Fréderic.  „Es ist nur ein kurzer Klettersteig“. Nach einer längeren  Passage kommen sie an dunklen, mysteriösen Felsöffnungen vorbei. „Hier wurde früher Silber abgebaut“, sagt Jordan. „Habe eine Stelle gefunden, wo es noch Reste dieses Metalls und Mineralien gibt. Ich werde sie dir zeigen“. Sie stoßen auf einen alten Mienenweg und können dann die Gurte mit den Karabinern ablegen. Nach einer halben Stunde erreichen sie eine größere Lichtung, wo der Bergwald aufzuhören scheint. Sie blicken in die steile Nordwand der „Aiguillles des Houches“, wo ein Wasserfall grüßt. Es sieht wie ein romantischer Bergkessel aus – sei aber unbegehbar für uns, meint Jordan. „Dort habe ich wertvolle Kristalle und Drusen gefunden, aber man muss da schon gut klettern“, erklärt er ihm. Vor ihnen liegt die schmale Öffnung eines Stollens. Jordan geht im Licht seiner Kopflampe zunächst vor. Nach einigen Metern fällt der Gang jedoch wie eine Rampe ab. Im Licht ihrer  Kopflampen erkennen sie Verzweigungen nach verschiedenen Richtungen. Jordan geht wie schlafwandlerisch über einen Kilometer in das verzweigte Stollensystem hinein. Sie stoßen auf einen größeren Raum, den Jordan den „Carlaveyron- Dom“ nennt. Hier befindet sich in einer alten halbverfallenen Kiste bergmännisches gebrauchtes Werkzeug. Er holt Hammer und Meisel heraus und schlägt an einer schwierigen Stelle über Kopf Quarz und Glimmer aus dem Fels. Fréderic findet danach Bruchstücke von Drusen, Turmalin und Quarziten. „Hier habe ich etliche Mineralien gefunden und geborgen. Teilweise sehr seltene Mineralien. Auch Knochen von Tieren oder Eiszeitmenschen lagen hier herum“. „Wohin hast Du die verbracht?“, fragt Frederic. “Habe sie zunächst in einem alten Almschuppen geborgen und will sie nach Altersuntersuchung und Sichtung dem Regionalmuseum zur Verfügung stellen – wenn  ich durch bin“, meint er. “Das wird sicher noch eine Weile dauern“, fragt Fréderic neugierig. „Davon kannst Du ausgehen – es sind inzwischen 50 Funde. Hier ein prima Barit und ein Bergkristall“. Sie packen die Funde in ihren Sack und verlassen die Mine. Jordan zeigt Fredéric den normalen Waldweg hinab nach Servoz und verabschiedet sich dann von ihm, einen guten und sicheren Aufenthalt wünschend. Er muss zu seiner Gruppe zurück. Als er am Kiosk ankommt, ist niemand mehr da – auch keine Nachricht. So gönnt er sich jetzt ein Eis und hat Zeit zu verschnaufen. Es kommen nur  wenige  Interessenten. So kann er bald aufbrechen zum Bahnhof (Gare). Er liegt ein Stück außerhalb der Siedlung am Ufer der L´Arve. Gegenüber verläuft die Schnellstrasse ins Chamonixtal. Auf dem andern Gleis erscheint mit viel Getöse und Explosionen eine Lok mit einem überfüllten Wagon. Sie ist mit Birkenzweigen geschmückt zu ihrer Sonderfahrt. Die Passagiere unterhalten sich lebhaft auf dem Bahnsteig. Schließlich kommt der richtige planmäßige Zug in Richtung Argentiéré/Grenze. In Chamonix gibt es traditionell einen längeren Aufenthalt, bei dem sich Fréderic ein Bierchen aus dem nahen Ristorente besorgen kann. Schließlich landet er wieder bei den Seinen zum gemeinsamen Menu am Ende des Tages.   

Glacier  des   Bossons    Nun denn zu unserem größten – oder längsten Gletscher der Tour. Er ist schon von weitem sichtbar. Er sieht aus, als wolle er sich einmal auf die Ortschaft Les Bossons – talab unweit Chamonix stürzen. Die Witterung ist sehr gut und günstig. Wir reisen wieder lustig mit dem Bähnchen an und steigen gleich hinter dem Bahnhof unter der Schnellstrasse hindurch in Richtung Campingplatz. Es geht durch einen dichten Wald erst gemächlich, dann steiler hinauf. Am ersten Kiosk, Charlet du Glaciers des  Bossons, was auch mit einem Lift erreicht werden kann, erblicken wir die ersten Gletscherspalten und Séracs der unteren Gletscherzunge. Zuvor konnten wir die abtauende Gletscherzunge von einem Seitenpunkt unterhalb dieses Charlets würdigen. Das abgetaute Gletscherwasser ist neben uns vorbeigeflossen. In Serpentinen geht´s dann den dichten Bergwald hinauf zum Aussichtspunkt Charlet des Pyramides, wo wir uns wieder sammeln und stärken. Die schlanke Eisenspitze der 3842 m hohen Aiguille du Midi schaut mit ihrer Bergstation erhaben auf uns kleine Ameisen herab. Ingeborg und Gerhard steigen ab. Nun reduziert sich der mächtige Bergwald auf Gras und Alpenrosen, die unsere Sicht jetzt erheblich erweitert. Der Nachbar Glacier de Taconnaz baut sich in Richtung Dôme und Aiguille der Goutier mächtig auf. An einem aussichtsreichen Felsriff in ca. 2250 m Höhe, Bec du Corbeau genießen wir noch einmal einen prima Überblick. Das große Chamonix ist ganz klein geworden, als wolle es sich schamhaft aus dem Erhabenen zurückziehen. Der Gipfel des Brévent liegt fast auf unserer Höhe. Ein paar Schritte weiter und wir erreichen die Abzweigung, die zur Gîte à Balmat führt. Hier fand man die Reste des ersten Unterstandes der Erstbesteiger. Bis dahin sind jedoch noch gut 250 m zu steigen, als uns immer mehr Wanderer von dort entgegenkommen.  Der begehbare Pfad führt bis zur „La Jonction, die Teilung des Gletscherstromes. Es ist die letzte Felsbarriere vor den unendlichen Eismassen, die hier geteilt werden. Renate schaut bei einem Drink auf ihre Uhr: 16.00 Uhr – also sehr spät, wenn wir rechtzeitig zum Essen zurück sein wollen. So kehren wir notgedrungen auf Fréderic´s Anraten um und nehmen die Alternativ – Variante am Westrand der mächtigen Felsrippe, die den Gletscher geteilt hat. In unserer Blickrichtung jetzt: der Glacier de Taconnaz. Dieser Abschnitt verläuft jedoch wesentlich steiler und ausgesetzter als der zuvor erstiegene. Oder ist dies jetzt subjektiv, weil es steil hinab geht? Hohes Gras und Büsche verdecken oftmals die winzige Wegspur. Auch einige steile Felsstufen fordern Brigitte und mir. An einer Felswand kragt eine Arve mit einem großen Wurzelwerk heraus, die  wir in luftiger Höhe überqueren. Fréderic ist in seinem Element. Er hilft Renate mit dem richtigen Spreizschritt den Abstieg zu meistern. Als ich versehentlich in den luftigen Abgrund trete, ist die wilde sprießende Vegetation mein persönliches Auffangbecken. Auf der alten Moräne läuft es sich dann leichter und freier. Danach folgt wieder ausgedehntes junges Bergwaldgebiet, in dem die ersten Mountainbiker auftauchen. Ein Forstweg bringt uns dann zügig weiter hinab. Am Waldrand müssen wir eine Weekend -Bungalowsiedlung mit einem Hund an der Laufkette queren. Ein echtes Hindernis! Als Fréderic das Privatgrundstück auf der anderen Hausseite umgeht, handelt er sich einen Rüffel vom Eigentümer ein, der gerade im geselligen Kreis auf dem Nachbargrundstück grillt. Er kritisiert, dass wir nicht auf dem Wanderweg seien, was wir aber widersprechen. Mit Mühe können wir die unangenehme Situation bereinigen und stiefeln in unendlichen Kehren ins Tal. Am Eingang des Campingplatzes kann endlich Renate ihre Trinkflasche auffüllen. Das frische Wasser aktiviert jetzt unsere letzten Kräfte, um zum Bahnhof zu kommen. Unweit des Gare hören wir schon das Bähnlein. Zügig beschleunigen wir unsere Schritte, um den 18.43er noch zu erwischen. Wir joggen –  mühsam mit den Rucksäcken – aber die Bahn ist doch schneller. Sie zieht an uns vorbei. Der Bahnhof ist wieder leer, als wir angepustet kommen. Vor dem Gebäude an der Durchgangsstrasse  befindet sich ein Holzhäuschen als Bushaltestelle. Daneben gibt es eine öffentliche Toilette, die uns jetzt sehr gelegen kommt, da wir nun weiterhin Wasser nachtanken können. Als wir einen Bus in Richtung Chamonix fahren sehen, stelle ich  fest, dass wir auf der falschen Seite warten. Die Busse fahren hier talaus in Richtung St. Gervais. Also schnell auf die andere Seite! Der Fahrplan gibt den letzten Bus im Tal für 19.04 an. Da wir jetzt 19.01 haben, können wir gemütlich abwarten. Aber wir warten bis 19.14 ohne dass jemand kommt. So war der gesehene Bus doch wohl der letzte.... und ist einfach so durchgefahren. Echter  Fremdenverkehr! Wir pilgern hinüber auf den nahen Bahnsteig und warten. Zuerst kommt der Zug von Chamonix, dann – nach fast einer Stunde – unserer aus der Gegenrichtung, talauf. So sind wir kurz vor Acht in Chamonix. Da der Zug hier eine Viertelstunde  Aufenthalt hat, schlägt uns Fréderic vor in die nächste Bahnhofskneipe zu gehen, um ein frisch gezapftes Bierchen zu genießen. Wir Wanderinnen überlegen: ist vielleicht zu riskant – wenn der Zug abfährt – müssten wir mühsame 1 1/2 Stunden bis Argentière latschen … oder  Taxi. Fréderic bekommt in der Kneipe gleich seinen Drink und im nu ist das frisch Gezapfte zügig leer. Sic! Als er Dosenbier für uns Wanderinnen bestellen will, gibt es keines. Schnell überquert er die Straße zum gegenüberliegenden Restaurant und bestellt das gleiche. Auch hier wird abgewinkt: es gibt Bier nur in Flaschen. Er entscheidet sich für zwei verschiedene Biersorten, bezahlt und eilt zurück zum Bahnhof. Ich und Ulli freuen uns, als Fréderic wieder auf dem Bahnsteig auftaucht und uns die beiden Bierflaschen freudig entgegenhält. „Prima – alles  o.k. vor der Abfahrt!“ Jetzt zischt es aber auch in unseren ausgetrockneten Kehlen. So verläuft jetzt unsere Rückfahrt kurzweiliger als sonst.    In der Pizzeria tauschen wir mit Gerhard, Ingeborg und Michael, der einen Abstecher mit dem Bähnle zum nahe gelegenen Martigny gemacht hat, unsere Erfahrungen aus. Michael besuchte dabei die überregional bekannte „Fondation Pierre Gianadda“, in der es wieder eine Spitzenausstellung zusehen gab: Bilder aus dem Puschkinmuseum in Moskau mit den Werken alter französischer und belgischer Meister sowie bekannte Impressionisten wie: Edouard Manet, Edgar Degas, Claude Monet, Pierre Auguste Renoir, Camillo Pissarro, Alfred Sisley, Vincent van Gogh, Paul Gauguin, Paul Cézanne, Henri Matisse und last not least Pablo Ruiz Picasso mit seinen beiden gegenständlichen Frühwerken von 1905 und 1909 (Spanierin auf Mallorca + Dame mit dem Fächer). Auch im Freien hat es ihm gut gefallen.   

Mer de Glace    Ein lang erwarteter Höhepunkt nähert sich: das > Mer de Glace < der Begriff von Chamonix Mont Blanc. Auf den meisten Bildern vom Mont Blanc ist es zu sehen – ebenso wie in den Bildbänden der Alpen. Ein herrliches, einmaliges Eismeer, das von zwei weiteren Gletschern, Glacier de Leschaux – vom Grand Jorasses kommend, sowie vom Glacier du Tacul – vom Vallee Blanche , Glacier du Géant großzügig gespeist wird. In der Mitte ein welliger braun-schmutziger Streifen, Geröllmaterial, das die Verwitterung verursacht hat. Die Zahnradbahn ist brechend voll, als wir von Chamonix zu Mentenvers abfahren. Es sind viele Kletterer oder Eisgeher aus verschiedenen Ländern und Kulturen mit ihrer vollen Bergausrüstung dabei und freuen sich auf einen großen Bergtag. Beim Ausstieg in 1900 m Höhe zieht es schon auffällig, aber die Sicht ist noch optimal. Wir bewundern die Aussicht und queren die Aussichtsplattform und treten in den Schau-Stollen ein, wo die Mineralien ausgestellt sind. Es sind prächtige große Kristalle und Drusen, die hier aus dem Gebiet gesammelt wurden. Beim Aufstieg zum Signal Forbes beobachten wir, wie eine ganze Gruppe Japaner mit anderen den spaltenreichen Gletscher überqueren. Es gibt hierbei einen regelrechten „Weg über das Eis“, der zu den inneren Hütten des Mont Blanc  Massives, wie Refuge du Requin, führt – teilweise über sportliche Klettersteige und Moränen. Ein faszinierendes Gebiet der Alpen. Manch einer meint, hier sei das Zentrum der Alpen – die Grate und Kämme würden sich von hier sternförmig Richtungen ausbreiten (Hauptrichtung Ost - + Süden). Es ist ja geologisch die aktive afrikanische Scholle, die sich auf die europäische schiebt und damit aufwölbt. Die Bergspitzen heben sich, werden aber gleichzeitig abgetragen von der Erosion. Bei der Vorplanung besprachen wir die Möglichkeit, in das Innere dieser faszinierenden Eis-Welt, was das Herz jedes Alpinisten höher schlagen lässt, einzudringen und kennen zu lernen. Dabei bieten sich die drei nordseitigen Refuges (Hütten), die links von uns liegen, Refuge de la Charpoua, das Refuge de Courvercle, was am unteren Rand eines  riesigen Gletscherkessels mit Namen Glacier de Talefre – unterhalb der Aiguille  Verte –  liegt, sowie last not least das Refuge de Leschaux an. Dazu bedurfte es jedoch für uns die Anheuerung eines deutsch-sprechenden Führers, der bereit ist, mehrere Teilnehmer an das Seil zu bewegen uns nun auf einem ausgesprochenen Höhenweg, den „Henri Vallot Weg“ der etwa 1100 – 1200 m über dem Tal verläuft. Er ist gut ausgebaut für Wanderer und geht vornehmlich in südlicher Richtung zur Mittelstation der Bergbahn Aiguille de Midi. Hier zeigen sich jetzt einzelne Wolken und ziehen ins Tal herein. Die Felsen der Aiguilles de Chamonix sehen von hier wie Panzerplatten aus! Gerhard will nicht den gesamten Balkonweg bis zur Mittelstation gehen und kehrt kurz vor der Schleife zu einem Parallelweg um. So sind wir nach einer guten Stunde nur zu Fünft. Das Wetter scheint sich jedoch zu ändern! Schleierwolken hüllen die Sonne ein. Nach kurzer  Rast brechen wir eilig auf, da schon niedrigere schwarze Wolkenbänder im Südwesten auftauchen und in unserer Richtung ziehen. Es  donnert. Nun müssen wir uns sputen, da es noch ein Stück bis zur Mittelstation, Refuge du Plan d´Aiguille, zu laufen gilt. Sie ist schon von Weiten sichtbar, aber der Weg windet sich endlos lange durch das felsige Gelände. Immer mehr Wanderer kommen aus der Gegenrichtung. Als es zu regnen anfängt, holen wir unsere Schirme und Kotzen. Und es kommt ganz schön was herunter! Renate spurtet mit Michael an der Spitze den felsdurchsetzten Gegenhang hinauf – ich hinterher. Im nassen Gelände ist jetzt äußerste Vorsicht geboten. Die Unfallgefahr steigt. Schließlich haben wir den Absatz erreicht und die 2233 m hohe kleine Hütte ist über eine Terrasse erreicht und bietet uns Schutz. Nun schnell die nasse Kleidung wechseln – soweit möglich –  und ein heißer Drink oder eine Potage. Wir sitzen dicht gedrängt und warten die Schauer mit den  Eisgraupeln ab. Im nu ist die Terrasse weiß überzuckert. Wanderer eilen und drängen vorbei ins Stationsinnere. Es wird mehrfach laut zum Aufbruch gerufen. Die meisten zahlen und eilen zur Abfahrt hinüber. Aber es hat eine Unterbrechung gegeben – die Windböen sind noch zu stark zum Abfahren. Michael und Fréderic gönnen sich derweil noch einen Vino- zum Ausgleich, dass sie den malerischen Lac Bleu in der unmittelbaren Nachbarschaft nicht mehr erreichen konnten. Sie sind mit 2 Schweden zusammen  im Aufenthaltsraum. Als der zweite Aufruf kommt, machen wir uns schließlich fertig und schultern unsere  letzten Säcke. Aber drinnen wird immer noch diskutiert, wann- und wie es weitergeht. So stehen wir noch eine Weile, bis Bewegung in die Standszenerie  kommt. Es ist erstaunlich, wie viele Menschen eine Kabine füllen können. Ich schätze etwa 30 Leute, als es gen Chamonix abgeht. Nach wenigen Minuten schweben wir über den letzten blank liegenden Felsen hinab in den unteren Bergwald und nach Chamonix. Mit dem Anschlusszug geht es dann zurück ins  Quartier.   

...an der Grenze - á la  frontiére    „Man könnte doch einmal zu Deinen tollen „Sauriern“ gehen, von den Du beim Vortreffen so spannend berichtet hast.“ meinte Ingeborg zu Fréderic. „Du hast uns doch so ein Prachtexemplar gezeigt mit dem schönen Mont Blanc-Gipfel, nicht wahr?“ „Richtig, sie grasen beim Stausee „Barage d´Emosson“. Es gibt dort einen schönen Fußweg zum oberen Bergsee namens Lac du Vieux Emosson, der in einem hübschen Granit-Kessel einige Meter höher liegt. Man kann von dort an den versteinerten Spuren der Saurier hinauf zum 2685 m hohen Col de Corbeaux und weiter zum aussichtsreichen 2831 m hohen Gipfel „le Cheval Blanc“ steigen, was so etwa zusätzlich eineinhalb Stunden Aufstiegszeit erfordert. Hierzu haben wir zwei Möglichkeiten, einmal ab le Buet durch das enge Tälchen Val de Tre les Eaux mit dem zuvor genannten Übergang Col de Corbeau oder von der anderen Seite, der Grenze ab Le Châtelard bis zur Staumauer und weiter zum oberen See. Aber wie ich auf der Karte sehe, ist der Rückweg sehr lang – vielleicht müssten wir einkehren“.  „Was heißt einkehren, wir wollen doch eine ruhige Abschiedsrunde machen, die nicht so stresst, bevor wir zurückreisen!“, erwidert Renate, fast wortgleich mit Ingeborg. „Kein Problem, meine Damen, da nehmen wir die bequeme Anfahrt mit der Bahn zum Grenzort Fin Haut, was so gut wie „oberste Grenze“ heißt, um dann in die dortige Kleinkabinenbahn umzusteigen. So kommen wir bequem auf die Höhe der Staumauer und können dann gut ausgeruht über die Mauer und in das Planschbecken der Saurier laufen“, meint Fréderic. „Soo ..und was nehmen wir mit?“  „Die übliche Tagesausrüstung, Schutzspray gegen gefährliche Tiere, Regenschutz – der Wetterbericht hat Schauer angekündigt“. Und so sind wir wieder in dem sympathischen Bähnlein, das uns bequem durch die Lande zieht. Beim Stop an der Grenze pfeift uns der Schweizer Schaffner zurück: wir sollen bis La Châtelard fahren. Wunderbar! Aber als er unsere Billets kontrolliert, müssen wir für 1,4 km nachzahlen! Als der Zug hält, sind wir immer noch am zahlen und zahlen. Wir verlassen den Bahnhof, queren ein aus der Gründerzeit stammendes Industriegebäude und stellen fest, dass der Schrägaufzug zur Barrage erst in einer ¾ Stunde startet. Es sieht sehr trüb aus und es fallen exorbitante Beförderungskosten an, die nicht nachvollziehbar erscheinen. Was nun?  Wir gehen weiter. Wir folgen den Wegzeichen am Gegenhang zum Col de Balme. Es gibt noch einen niedrigeren Waldweg, den wir nach Querung des eingeschnittenen Tälchens folgen können. Er ist jedoch nur sehr spärlich markiert als wir zügig an Höhe gewinnen. Als wir eine Kuhweide queren, fängt es an zu nieseln. Es wird ungemütlich und nass. Wir stiefeln nach Gutdünken immer schräg aufwärts – wo wir die Grenze vermuten, bis sich die Wegspur verliert. Über hohe Gras- und Moosflächen erreichen wir einen schmalen, verwilderten Waldweg. Ein eindringliches Geräusch wie beim Baumsägen schreckt uns auf: Fréderic pirscht sich vorsichtig nach vorn und sieht weiter oben einen Waldarbeiter Gras mähen. Erleichtert können wir weitersteigen und erreichen einen echten Stausee mit Betonmauer, der auch als Wasserspeicher dient. Seitlich, am Waldrand finden wir einen Rastplatz, wo wir uns stärken können. Gegenüber grast ein Kuhherde. Der Schauer ist vorbei, aber es ist immer noch sehr dunstig. Die Barrage auf der anderen Seite ist kaum zu sehen. So streben wir auf einem Forstweg der wieder klaren Markierung nach und erreichen auch die Staatsgrenze. Ein Schlagbaum versperrt symbolisch den Durchgang. Es ist niemand da. Im nu sind wir wieder in Frankreich – und keiner hat´s gemerkt. An der nächsten Weggabelung nehmen wir die Talvariante. Ein Pärchen überholt uns trotz Regenkotze. Es nieselt wieder stärker, so dass wir die Serpentinen  zügig zu Tal streben. Es scheint ein Regentag zu werden mit minimaler Aussicht im Bergwald. Wir kommen immer tiefer und sehen schon die Häuser von Vallorcine. Ganz in der Nähe des Bahnhofes verlassen wir den Bergwald. Die ersten beiden entdecken eine willkommene Einkehrmöglichkeit! – Herrlich – es gibt eine echte französische  „Bahnhofskneipe“. Am überdachten Eingang stellen wir unsere Regensachen und Stöcke ab und kehren ein. Drinnen drängen sich die Menschen – ein Tisch ist frei für uns. Wir bevorzugen jetzt warme Getränke. Dabei entdecken ich in der Küche den jungen Marokkaner der Gîte Etape. Er grüßt uns freundlich, als er uns sieht. Wir werden schnell bedient und genießen unsere Getränke. Bis zum nächsten planmäßigen Zug hat es noch etwas Zeit, die wir bequem zum Verschnaufen nutzen können. Schließlich kommt das Bähnle mit einer kleinen Verspätung. Wir steigen ein und fahren ins Quartier zurück. Gerhard steigt bei Le Buet aus, um sich von den freundlichen  Damen des Hôtels persönlich zu verabschieden. Unser letztes Menu in Argentiére genießen wir in der hellen Gaststätte neben der Bushaltestelle gegenüber der beliebten Pizzeria. Sie ist mit viel alpinem Holz ausgebaut und verkleidet. Wir nehmen feierlich Abschied. Unser Wanderführer Fréderic erhält einen über 250 seitigen Ausstellungskatalog der Exposition in Martigny, die Michael besucht hat. Er hat sich dahingehend so geäußert. Gerhard überreicht ihm diesen mit allen Unterschriften der begeisterten Teilnehmer als dankbare Anerkennung seiner Führung. Unser Fréderic bedankt sich sehr herzlich dafür und bemerkt, dass wir eine ungewöhnlich nette und die beste Gruppe seien, mit der es richtig Freude mache gemeinsam zu wandern.  Der Rotwein hilft uns dann beim Abschiednehmen. Wir denken an unsere schönen Erlebnisse zurück und erwähnen die vielen weiteren Möglichkeiten in Les Houches und Servoz ( Expositions ) ... mit dem Wissen, dass sich die besten Kletterer zur Weltmeisterschaft „La Coup du Monde D´Escalade“ gleich  wenig später am 11. bis 13. Juli  2005  hier treffen und messen werden.

 

Au Revoir Chamonix

 

Hinweis: Die „Tour du Mont- Blanc“, kurz TMB ist eine 10-tägige Wanderung über 3 Länder, 217 km und etwa 65 Stunden ohne Eisausrüstung. Reservierung in den Berghäusern und überwiegend Hütten ist obligatorisch, da ein großer Andrang herrscht ab Mitte Juli bis  Ende  August. Die Saison geht bis Ende September.

 

Literatur + Veröffentlichungen:    Hennig Böhme: Weitwanderwege zwischen Montblanc und Monte Viso, Bruckmann 1991    Albert Frederick Mummery: “Meine Bergfahrten in den Alpen und im Kaukasus“, Bruckmann, München1988    Walter Bonatti: „Berge meines Lebens“, AS Verlag Zürich 2000    Robert Macfarlane: Berge im Kopf – Geschichte einer Faszination,  AS Verlag Zürich 2005    „Chamonix“, Hochgenuss am Mont Blanc, Alpin Verlag München  6/ 2004 „Traumtour um den Montblanc“, Alpin Verlag München  5/1995 

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